ERKENNEN

Jetzt

Eines Morgens wache ich auf und merke: Ich bin jetzt in der Lage, mit mir zu sein. Uneingeschränkt. Das ist neu.

Ich weiß, dass es ein hohes Maß an Bewusstheit erfordern wird, diesen Zustand auch zu halten. Aber zum ersten Mal habe ich nicht das Gefühl, diese Bewusstheit nicht dauerhaft aufbringen zu können.

Ich weiß: Irgendetwas ist geschehen, das es mir ermöglicht, einfach mit mir zu sein.

Keine Fluchten. Kein Entkommen. Einfach mit mir sein.
Mit allem, was ich tue. Was ich bin. Jetzt.

Das fühlt sich verbindlich an.

Juwel

Tief im Inneren
die Flamme hüten
(schützenswert)

Das Licht
flackert zuweilen
doch leuchtet stetig



IM MEER DER ZEIT

Jahrtausendwende

Berlin, 31. August 1999
Abends

Ich spüre das Ende des Jahrtausends nahen.
Mein Gott, das Jahrtausend geht zu Ende.
Es ist schon beinahe wieder herbstlich in Berlin.
Der Sommer endet zäh.
Eine eigenartige Zwischenzeit.
Ich bin sehr berührt von allem gerade.
Es ist so unendlich traurig und so unendlich zart.
Der Halt kommt durch die Zartheit,
Reife durch Flexibilität,
Verantwortung durch Bereit-sein.
Was ist eigentlich wichtig?
Ich taumele kontrolliert durch den Raum,
die Zeit verschwimmt.
Leise Flötenmusik, begleitet vom Klavier,
sanft, sich schälend, zart,
einfach zart.

Kein Anfang, kein Ende,
nur Sein.
Pflichten, Vergessen,
Inhalte im Strom der Zeit,
Ballungen, Freiwerden, sphärisch.
Wo sind die Grenzen?
Es gibt ein Reich Gottes,
hier auf Erden.
Es kostet Überwindung.
Unendliche Überwindung.

Sicherer Platz,
vollkommen ausgeliefert dem, was zu tun ist,
dabei ganz sicher und erhoben,
fußend im Sein,
zusammenbringend das eine mit dem anderen,
so dass es werde eins.
Erquickliche Verzückung,
peinvoll zart und klar im Raum,
über‘s Wasser wandeln,
auf den Atomen schweben,
die den Gehsteig formen,
ES geht, erkundet sich,
wie ist das denn?
wie ist das denn?
wie ist das denn?
Schön und leer zugleich,
die Leere überrascht
bei all der Fülle und den Formen,
die ES formen.

ES geschieht -
ereignet sich zuweilen,
so dass man es wahrnehmen kann.
In den unerwartetsten Momenten
offenbart es sich durch sich in sich
und eins ist alles eins ist alles eins.

Die Perspektive zählt,
doch kommt sie nur durch sich heraus
und lässt sich nicht erzwingen.
Verblüffend, immer wieder.

Fünf Minuten später

Es sprudelt weiter,
zwar ungelenk noch,
aber beachtenswert.

Eben gerade dachte ich:
Alles ist relativ.
Man will immer, was man nicht hat.
Es geht letztendlich nicht um das, was man will.
Das ist erschreckend, aber das ist es.
Was bleibt einem da noch?
Nur das Sein.
Der Moment.
Zugewandtheit, wohlwollend.
Freude im Herzen.
Offenheit dem Lebendigen.

Häufig denke ich über das zentrale Problem der Anhaftung nach.
- Heidrun ruft nach mir. So ist es mir nicht vergönnt, meine Ausführungen hierzu jetzt darzulegen.

Stattdessen esse ich,
zurückgekehrt an den Schreibtisch,
einen halben Apfel.
Das hält mich vom Schreiben ab.

Viele Menschen essen beim Apfel das Gehäuse ganz mit.
Das war mir schon immer suspekt.
Ich tue dies nicht.
Es hat für mich etwas von einer Würdigung des Apfels,
ihn nicht komplett zu verzehren.
Bei Tieren isst man die Knochen auch nicht mit.
Bei Hühnchen kaut man sie ab.
Ich mache das ungern.
Es offenbart so grob den unvermeidlichen Verrat, den man beim Essen am Lebendigen vergeht.
Interessant in diesem Zusammenhang ist das japanische Essen.
Meist roh, jedoch formvollendet.
Natürliche Derbheit und Ästhetik dicht beieinander.
In zehn Tagen ist hier in Berlin ein Vortrag über Makrobiotik.
Ich werde wohl hingehen, um mich einmal darüber zu informieren.

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Berlin, 28. September 1999
Abends

Im Raum verteilt,
jedoch nicht ohne Zentrum,
fällt es dennoch schwer,
die Leichtigkeit, die unbestritten breit sich macht,
mit Leichtigkeit für wahr zu nehmen...

Wo bin ich?
Die Hand hält den Stift,
sie schreibt meine Gedanken,
die offensichtlich meine sind,
sonst hätte es die Hand nicht so geschrieben...

Räumliches Gewahrsein,
sich zurückschraubender Fokus,
mehr ein Zustand als Aktion,
mehr ein Sein,
fürwahr ein Sein,
der Seinszustand,
nivelliert Unebenheiten,
fügt sich ein und passt sich an
und ist trotzdem was völlig Eigenes
mit Ausrichtung und Sinn.

Die Leere, derer ES sich zunehmend gewahrer wird,
ist angefüllt mit purem Sein,
und Aufenthalt in dieser Leere ist natürlich
und desillusionierend zugleich.
Enttäuschend leer das alles,
das so voll doch scheint mit Inhalten
und Stoffen und Geschichten und Aufs und Abs
ist dennoch letztlich leer,
selbst die Person,
sie tritt zurück,
tritt gleichermaßen zurück so wie sie näher tritt,
unmittelbar ist ES zunehmend - und entfernt zugleich,
gleichzeitig mitten im Gewühl
und aus der Vogelperspektive zugeschaut,
den Platz beanspruchend
- nicht mehr und auch nicht weniger -
der ihm/ihr gebührt,
denn das ist das Geburtsrecht der Person, die ES trägt...

...in sich und durch die Welt ES trägt durch sich hindurch,
sich selbst durch sich hindurch...

Das Kräuseln der Welle.

Das in sich verschwindende, sogartige Lächeln des Halbmondes.

Gekipptes, aufbegehrendes, gemäßigtes, sich zurücknehmendes Sein.

Fahles Funkeln.

Pirouetten.

Sonnenfinsternis.

Liberta.

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Berlin, 3. Februar 2000
Nachmittags

Zartheit,
kräftigendes Verstehen
- trotzdem -

Erkennen
Erschaudern
- indifferent -

Sehnsucht nach freiem Sein,
Urlaubstage am Meer,
das Meer...
(der Winter ist zu lang)

Frühjahrsschmelze
- herbeigesehnt -
> die Erste des Jahrtausends

Frühling, bald...



FREUDEN

Sommertag allein

Vormittags: Ausschlafen. Liegen bleiben.
Offenes Fenster. Sonnenstrahlen. Geräusche im Hof.
Kein Frühstück.

Nachmittags: Antipasti, Weißbrot, Pellegrino,
dann Milchkaffee - ein Spaziergang durch die Stadt,
mildes Wetter, gelassene Stimmung.

Abends: ein Flirt. Bella mio! Lächeln. Ein rotes Kleid.
Champagner. Berührungen. "It‘s so simple."
The ultimate purity.

Nappos und Peter Pan

Fernsehen gucken. Peter Pan, die Disney-Version,
dazu: Nappos essen, diese eigenartigen Sweets,
gibt es schon unendlich lange, sind ausgezeichnet.

Käpt‘n Hook brüllt, Peter Pan lacht, Wendy, die Elfe, verteilt
Sternenstaub, und die Nappos schmecken einfach gut.



SEIN

Ich bin

Ich bin...

...ein Lächeln..

...ein Portier...
...eine Tänzerin...
...ein Flugkapitän...

...die Silvesternacht...
...der Neujahrsmorgen...

...eine Frühlingsknospe...
...Herbstlaub...

...ein Gebirgsbach...

...ein Mantra...
...ein Gebet...

...Licht...